Vom Bahnhof Cannstatt, von welchem übrigens 1845 die erste schwäbische Dampflokomotive, genannt „Neckar“ nach Untertürkheim fuhr, ging es zu Fuß durch die Cannstatter Altstadt. Hübsche Fachwerkhäuser und enge Gassen hat Stuttgarts ältester und größter Stadtbezirk. Am Erbsenbrunnen, einer der Cannstatter Mineralquellen verweilten wir kurz. Der Schwabe verniedlicht ja alles, deshalb isch`s Erbsabrünnele. Dieser Brunnen diente in früheren Zeiten dem einweichen getrockneter Erbsen. Eine Überlieferung zur Brunnenfigur besagt, dass dem Bildhauer der spätere Bundespräsidenten Richard von Weizäcker Modell gestanden hat.
Ein besonders beeindruckendes Bauwerk auf dem weiteren Weg durch die Stadt, die sich 1912 mit Stuttgart vereinigte, war das Klösterle, ein um 1465 erbautes Fachwerkhaus. Es ist das älteste erhaltene Wohnhaus im Großraum Stuttgart und wurde im Mittelalter wahrscheinlich von Beginen bewohnt. Das Haus hat eine eingebaute gotische Kapelle im ersten Geschoss.
Anschließend ging`s weiter, dem Neckar folgend hoch zur Altenburg zum Travertinpark.
Der Travertin, dem der Park seinen Namen verdankt, ist ein besonderer Kalkstein, der durch die Nähe zu den Stuttgarter Mineralquellen entstanden ist, und der viele Jahre lang hier in Cannstatt abgebaut wurde. In Stuttgart wurde der Stein an vielen öffentlichen Gebäuden, z.B. an der Außenfassade der Wilhelma oder der Neuen Staatsgalerie verbaut. Das Gelände rund um die ehemaligen Steinbrüche wurde nach deren Stilllegung in einen wunderschönen Landschaftspark verwandelt. Ganz in der Nähe fanden sich noch Reste eines einstigen römischen Kastells aus dem Jahre 90. Auf diesem Grund entstand 1912 als Reiterkaserne angelegt, das heutige Römerkastell. Man kann noch gut die Stallungen der Reiterkaserne aus Zeiten des 1. Weltkrieges erkennen. Inzwischen haben sich dort Firmen und auch Teile einer Filmindustrie angesiedelt, welche unter anderem die Serie SOKO Stuttgart produziert.
Um pünktlich zu sein, gings weiter mit dem Bus auf den Schnarrenberg zur Wetterwarte. Hier wurden wir bereits zu einer hoch interessanten Führung erwartet. Wir bekamen erklärt wie die verschiedensten Messungen durchgeführt und verarbeitet werden. Außerdem konnten wir einen Radiosondenaufstiegverfolgen.
Als Radiosonde bezeichnet die Aerologie die Gewinnung von Messwerten (Luftdruck, Lufttemperatur, Luftfeuchte, Wind) mittels einer Radiosonde, die von einem Gasballon bis in Höhen von 35km getragen wird.
Wieder zu Fuß, wanderten wir weiter durch die Weinberge, begleitet von einem der schönsten Ausblicke auf den Stuttgarter Talkessel. Auf unzähligen Stäffele, die es in Stuttgart en masse gibt und weshalb die Stuttgarter auch Stäffelesrutscher genannt werden, gings runter zum Neckar.
Vorbei an einer Hängebrücke, die im Volksmund „Golden Gätle“ genannt wird, lag der Max-Eyth-See vor uns. Die Parkanlagen rund um den See und der See selber, sind das Zuhause von unzähligen Tierarten.
Das nächste Ziel, unseren Endpunkt, den Kurpark von Bad Cannstatt erreichten wir wieder mit Unterstützung, diesmal per Straßenbahn.
Im Kurpark gibt es eine Besonderheit. Der gebürtige Schorndorfer, Gottlieb Daimler wohnte hier mit seiner Frau Emma und vertraute auf die heilenden Kräfte der Mineralquellen. Hier hatte er auch seine Tüftlerwerkstatt in einem Gewächshaus eingerichtet, in dem er zusammen mit Wilhelm Maybach den ersten schnelllaufenden Benzinmotor entwickelte. Der dem Dreigestirn des Mercedessternes entsprechend, zu Land, zu Luft und zu Wasser eingesetzt werden konnte. Eine Folge dessen: Das erste Auto war geboren!
Erwin Schneider, 26.10.2023